Ausbildungsmarketing

Der Rechtsanspruch auf einen Ausbildungsplatz kommt

Ein Ausbildungssystem, das Seinesgleichen sucht – so wird das deutsche System der dualen Berufsbildung häufig ...


Ein Ausbildungssystem, das Seinesgleichen sucht – so wird das deutsche System der dualen Berufsbildung häufig angesehen, im In- wie im Ausland. Daher wurde es des Öfteren schon exportiert.

Besonders Frankreich hat nach der 2018 in Kraft getretenen Reform des Ausbildungssystems trotz Pandemie einen enormen Zuwachs im Bereich der dualen Ausbildung verzeichnen können. Wie es gerade in Deutschland aussieht und wiefern uns eine Ausbildungsgarantie weiterbringt, schauen wir uns in diesem Blogbeitrag an.

Schwächen im deutschen Ausbildungssystem?

In Deutschland hat das System aber gerade in der Pandemie seine Schwachstellen offenbart. So haben aufgrund der Krise weniger Unternehmen ausgebildet, aber auch weniger Jugendliche auf eine Ausbildung gesetzt. Hinzu kommt der demografische Wandel, der zusätzlich für die Abnahme der Nachfrage nach Ausbildungsplätzen sorgt.

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Mit Blick auf den bereits vorhandenen und sich in Zukunft noch verstärkenden Fachkräftemangel ist es also alarmierend, dass der Nachwuchs in den Betrieben oft nur schwer zu finden ist oder gar ausbleibt. Auch die Politik hat diese Entwicklung kritisch beobachtet und die Bedeutung der Ausbildung für den Wirtschaftsstandort Deutschland längst erkannt. Doch einzelne Initiativen wie der „Sommer der Ausbildung“ sind ein Tropfen auf dem heißen Stein, wenn es darum geht, ein langfristiges Problem anzugehen.

Mehr Chancen für kommende Generationen

Ein Problem übrigens, das nicht nur Betriebe, sondern – trotz Mangel an Fachkräften – auch viele Jugendliche betrifft. Das klingt paradox, entspricht aber der Realität. So finden viele Jugendliche trotz Abschluss keine Ausbildung, weil dieser den Ansprüchen der Arbeitgeber nicht genügt. Talent hin oder her – die Art des Schulabschlusses ist häufig die Eintrittskarte und entscheidend dafür, ob man eine Chance bekommt oder nicht.

Im aktuell ausgearbeiteten Koalitionsvertrag der Ampelparteien zeigt sich, welche Bedeutung der Ausbildung nicht nur für unser Wirtschaftssystem, sondern auch für die Entwicklung von Chancen für den Nachwuchs beigemessen wird, denn diese soll nun per Rechtsanspruch für alle garantiert sein.

„Wir wollen eine Ausbildungsgarantie, die allen Jugendlichen einen Zugang zu einer vollqualifizierenden Berufsausbildung ermöglicht, stets vorrangig im Betrieb“, so der Originalwortlaut im Koalitionsvertrag.

Was ist eine Ausbildungsgarantie überhaupt und was bedeutet sie für Schüler?

Im besten Fall sprechen wir hier von einer stets gegebenen Anschlussmöglichkeit nach dem Abschluss für Schüler:innen. Denn der Rechtsanspruch auf einen Ausbildungsplatz würde zwei aufeinander aufbauende Aspekte umfassen: So muss es zum einen Anspruch auf einen Ausbildungsplatz geben, eben für Personen mit einem Schul-, aber noch keinem Berufsabschluss. Zum anderen muss ein gerichtliches Verfahren zur Verfügung stehen, in dem dieser Anspruch bei Vorliegen aller Voraussetzungen von den Betroffenen durchgesetzt werden kann. Ein solcher Rechtsanspruch auf einen Ausbildungsplatz könnte dann sowohl im Grundgesetz als auch in einem einfachen Gesetz verankert werden. Für Schüler:innen bedeutet das: mehr Sicherheit für ihre Zukunftsplanung.

Die deutschen Politikschaffenden könnten sich bei ihrem Vorhaben Inspiration und Orientierung bei einem Nachbarland gesucht haben. Denn in Österreich gilt die staatliche Ausbildungsgarantie bereits seit 2008. Geregelt ist sie wie folgt: Jugendliche, die keinen Ausbildungsplatz finden, bekommen eine überbetriebliche Ausbildung angeboten. Sie erhalten dann die Möglichkeit, nach einem Jahr in eine reguläre Ausbildung in der Wirtschaft zu wechseln oder sie erhalten am Ende der überbetrieblichen Ausbildung einen vollwertigen Abschluss.

Wie profitieren Staat und Unternehmen von einer Ausbildungsgarantie?

Ausbildungsgarantie klingt verlockend und im Nachbarland Österreich scheint das System erfolgreich zu funktionieren. Aber lässt sich das auch auf Deutschland übertragen? Kritiker befürchten eine Verdrängung betrieblicher Ausbildung, hohe Kosten für den Staat und Einbußen in der Ausbildungsqualität.

Doch eine aktuelle Studie des Instituts für Höhere Studien in Wien im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung kommt zu einem ganz anderen Ergebnis. Für die Studie wurde das österreichische System auf die Bundesrepublik übertragen. Dabei kam man zu dem Ergebnis, dass sich eine Ausbildungsgarantie in Deutschland für Jugendliche, für die Wirtschaft und für die Gesellschaft auszahlt. Bis zu 20 000 zusätzliche Fachkräfte pro Jahr könnten so hierzulande dazu gewonnen werden. Darüber hinaus wäre eine Ausbildungsgarantie nach österreichischem Vorbild bereits nach wenigen Jahren für den Staat im Sinne eines positiven Budgetsaldos rentabel, sie würde das Bruttoinlandsprodukt signifikant erhöhen, auf individueller Ebene das zu erwartende Lebenseinkommen drastisch erhöhen und natürlich auch den Bildungsstand der Bevölkerung anheben. Für Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann-Stiftung, ist die Ausbildungsgarantie das Gebot der Stunde und auch die DGB spricht sich ganz klar dafür aus.*

Trotz allem bleibt es für Arbeitgeber wichtig, Auszubildende an den richtigen Stellen abzuholen und für eine Ausbildung im Betrieb zu begeistern – ob mit oder ohne Recht auf einen Ausbildungsplatz. Dabei gilt es nicht nur, die richtigen Kanäle zur Kommunikation zu wählen, sondern vor allem auch in Jobanzeigen klar und einfach zu kommunizieren, damit potenzielle Bewerber nicht durch Fachbegriffe, überambitionierte Anforderungen und schwammige Angaben zur Vergütung abgeschreckt werden.

*Mehr Informationen zur Bertelmann-Studie: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2021/august/ausbildungsgarantie-bringt-pro-jahr-bis-zu-20000-zusaetzliche-fachkraefte

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